Rechte von Notfallsanitätern erneut gerichtlich bestärkt

BAG, Urt. v. 18.01.2023, Az. 5 AZR 108/22

Geringfügig beschäftigte Rettungsassistenten mit flexiblen Arbeitszeiten dürfen bei gleicher Qualifikation und Tätigkeit aufgrund des Diskriminierungsverbots von Teilzeitkräften i.S.d. § 4 I TzBfG nicht schlechter bezahlt werden als Vollzeitkräfte mit verlässlich planbaren Arbeitszeiten.

Im vorliegenden Fall durften die geringfügig beschäftigten Mitarbeiter Wunschzeiten bei ihrem Arbeitgeber abgeben und Anfragen für Arbeitseinsätze ablehnen, die Vollzeitkräfte hingegen wurden verbindlich von ihrem Arbeitgeber in dessen Dienstplan eingeteilt. Dies nahm der Arbeitgeber zum Anlass den Vollzeitkräften fünf Euro Stundenlohn mehr als den Minijobbern zu zahlen.

Zu Unrecht, wie das Bundesarbeitsgericht nun entschied: Der höhere Planungsaufwand für den Einsatz der geringfügig beschäftigten Rettungsassistenten stelle keinen sachlichen Grund dar, welcher die Ungleichbehandlung von Vollzeit- und Teilzeitkräften rechtfertige. Solch eine Rechtfertigung käme ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn beispielsweise der Aufgabenumfang der Teilzeitbeschäftigten erheblich geringer als der Aufgabenbereich der vollzeitbeschäftigen Kollegen wäre. Dies war vorliegend jedoch gerade nicht der Fall.

LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 27.09.2022, Az. 1 Sa 39 öD/22

Notfallsanitäter sind aus Gründen des Persönlichkeits- und Gesundheitsschutzes zudem nicht dazu verpflichtet kurzfristige Dienstplanänderungen in ihrer Freizeit zur Kenntnis zu nehmen.

Im vorliegenden Fall wehrte sich ein Notfallsanitäter gegen eine Abmahnung wegen unentschuldigten Fehlens, die der Arbeitgeber ihm erteilt hatte, da der Notfallsanitäter mehrfach Dienstplanänderungen, die ihm per SMS und Email in seiner Freizeit einen Tag vor Dienstbeginn übermittelt wurden, nicht gelesen hatte. Auch entsprechende Telefonanrufe seines Arbeitgebers nahm er nicht entgegen. Am nächsten Tag erschien der Notfallsanitäter regulär zu seiner jeweils ursprünglich eingeplanten Schicht.

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein gab dem Notfallsanitäter Recht: Eine Dienstplanänderung stelle eine empfangsbedürftige Gestaltungserklärung des Arbeitgebers dar, die erst wirksam werde, wenn sie dem Arbeitnehmer zugehe. Arbeitsanweisungen i.S.d. § 106 GewO müsse der Arbeitnehmer lediglich innerhalb seiner Arbeitszeit zur Kenntnis nehmen. Erteile der Arbeitgeber eine Arbeitsanweisung in der Freizeit des Arbeitnehmers und nehme der Arbeitnehmer keine Kenntnis von der Anweisung, gelte diese i.S.d. 130 I 1 BGB als nicht zugegangen. Der Arbeitnehmer habe in seiner Freizeit ein Recht auf Unerreichbarkeit.

Der Arbeitgeber hat gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Revision zum Bundesarbeitsgericht eingelegt.

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